In den Jahren 1976 – 78 wurde die sog. ORBIT-Studie durchgeführt. Dabei wurde das Brandverhalten von Wohnungen untersucht, die Zeit bis zum Flash Over, die Erträglichkeitszeit des Menschen bei Brandrauchbeaufschlagung sowie die maximale Rauchexpositionszeit, in der eine erfolgreiche Reanimation noch möglich ist. Als Ergebnis der ORBIT-Studie wurden die uns heute bekannten Hilfsfristen festgelegt.
Die TIBRO-Studie stellt im Prinzip nur eine Wiederholung der ORBIT-Studie nach heutigen Gesichtspunkten dar. Durchgeführt wird TIBRO in Kooperation der Universitäten Wuppertal und Magdeburg, der BF Frankfurt am Main und der Vereinigung zur Förderung des deutschen Brandschutzes (VFdB) mit Unterstützung durch das Bundesinnenministerium und die Bundesanstalt für Materialprüfung (BAM).
Im Vorfeld wurden Brandversuche durchgeführt, wobei jeweils das Brandverhalten einer Zimmereinrichtung aus den 1970er Jahren und einer Einrichtung nach heutigem Standart untersucht wurden. Dabei wurde bewiesen, das sich ein Brand in einem modernen Zimmer wesentlich schneller ausbreitet als in einer 70er-Jahre-Einrichtung und das der Brandrauch aufgrund der heute verwendeten Materialien mehr Giftstoffe enthält.
Nach einer öffentlichen Ausschreibung hat die BF Frankfurt 20 Feuerwehren (FF und BF) gesucht, die an einem Einsatzübungszyklus teilnehmen. Aufgrund der großen Bewerberzahl wurden letztendlich etwa 80 Feuerwehren aus dem gesammten Bundesgebiet eingeladen, darunter auch die Freiwillige Feuerwehr Erlenbach am Main.
Zweck dieser Einsatzübungen war es, eine durchschnittliche Zeit ab Eintreffen an der Einsatzstelle zu ermitteln, die deutsche Feuerwehren benötigen, um eine Person aus einer brennenden Wohnung zu retten.
Am 6.2.15 trafen sich um 14.00 Uhr die Kameraden
- Alexander Monert
- Stefan Hofer
- Simon Waigand
- Christina Schmitt
- Michael Süssner
- Christoph Becker
- Bernd Hörnig
- Heiko Vogel
- Thomas Witt (als Beobachter und Verbindungsmann zur BF Frankfurt)
um mit dem HLF 20/16 nach Frankfurt zu fahren.
Später kamen
- Thomas Zimmermann
- Carsten Breunig
- Stephan Müller
als weitere Beobachter nach.
Nach einer Einweisung durch Herrn Tobias Pflüger von der BF Frankfurt in die TIBRO-Studie wurden vier Einsatzübungen im Feuer- und Rettungs-Trainings-Center (FRTC) der BF Frankfurt gefahren.
Bei allen Übungen ging es um einen Wohnungsbrand mit Menschenrettung, wobei sich das Übungsszenario bei allen vier Übungen unterschied. Jeder der acht an den Übungen beteiligten Kameraden wurde einmal im Angriffstrupp eingesetzt.
Bei der ersten Übung ging es um einen Wohnungsbrand im 2. Obergeschoss eines mehrstöckigen Wohnhauses mit der Rauchgrenze an der Wohnungseingangstür.
In Übung zwei wurde ein Dachstuhlbrand in einem zweistöckigen Wohnhaus angenommen, die Rauchgrenze war bereits an der Haustür. Die vermisste Person wurde im Dachgeschoss gefunden.
Die Übungen drei und vier entsprachen im Prinzip der ersten Übung, die Brandwohnungen befanden sich aber im dritten bzw. vierten Obergeschoss.
Um die Verrauchung darzustellen, wurden die Atemschutzmasken der Angriffstrupps mit Blendscheiben verdunkelt.
Die FF Erlenbach wickelte alle Übungen wie einen Realeinsatz ab, der Angriffstrupp setzte vor dem Öffnen der Brandraumtüren den mobilen Rauchverschluss und ging mit Wasser am Rohr vor. Der Wassertrupp stand als Rettungstrupp bereit und der Überdrucklüfter wurde bereit gestellt. Der Schlauchtrupp übernahm die verletzten Personen vom Angriffstrupp außerhalb der Rauchgrenze und verbrachte sie ins Freie.
Das FRTC ist eine der größten und die modernste Feuerwehrübungsanlage in Europa. In der großen Übungshalle ist ein Straßenzug samt Straßenbahnschiene und Oberleitung nachgebaut. Die Gebäude dieses Straßenzuges sind bis zu sechs Stockwerke hoch und können zu einem großen Teil vernebelt und mit Gas befeuert werden. Hinzu kommen eine kurze Überlandbahnstrecke mit Oberleitung auf dem Freigelände, die im Nachbau einer U-Bahnhaltestelle endet, eine Halle mit einer Flashover-Simulationsanlage und ein Übungskran für Höhenrettungs- und Absturzsicherungsübungen.
Dieser für uns alle sehr lehrreiche Tag endete für uns mit einer Nachbesprechnung mit Tobias Pflüger bei Frankfurter Rindswurst und Kaltgetränken.
Nach dem Eintreffen zurück in Erlenbach wurde mit Hilfe der Erlenbacher Jugendfeuerwehr das HLF 20/16 wieder aufgerüstet und der Abend in gemütlicher Runde ausklingen gelassen.
Bericht von Thomas Witt
ie schnell kann ein Mensch aus brennender Wohnung gerettet werden?
Forschung: Feuerwehren vom Untermain an Studie beteiligt
Üben für den Brandschutz der Zukunft Die beiden Feuerwehrmänner ziehen die Luft aus ihren Atemschutzflaschen und tasten sich kriechend durch den unbekannten Raum. Sie sehen gar nichts. Mit dem Stiel der Feuerwehraxt erweitern sie beim Krabbeln ihre Reichweite. Ihr Auftrag: Menschenrettung aus einer Brandwohnung, ein Bewohner wird vermisst. Ihren mit Wasser gefüllten, schweren Schlauch ziehen sie neben sich her. Im letzten Wohnungsraum finden sie das bewusstlose Opfer, jetzt zählt jede Sekunde.
Schnelle Menschenrettung: Die Feuerwehren aus Kahl und Erlenbach am Main gehören zu den 65 Feuerwehren aus ganz Deutschland, die im Rahmen der Tibro-Studie ausprobieren, wie schnell Menschen aus Brandwohnungen gerettet werden können.
Es ist ein typisches Szenario, das den Übungen zugrunde liegt, die derzeit etwa 65 Feuerwehren aus dem ganzen Bundesgebiet im hochmodernen Trainingszentrum der Frankfurter Berufsfeuerwehr absolvieren. Jede Feuerwehr »rettet« viermal Menschen aus Brandwohnungen – im zweiten und im vierten Obergeschoss eines Mehrfamilienhauses, in den Wohnungen über einer »Supermarktfiliale« und im Dachgeschoss eines Einfamilienhauses.
Das Ziel: Es wird gemessen, wie lange eine durchschnittliche deutsche Feuerwehr braucht, um einen 50 Kilo schweren Dummy bei einem Zimmer- oder Wohnungsbrand ins Freie zu retten. Dabei muss der mit Atemschutz ausgerüstete, im Regelfall aus zwei Mann bestehende Trupp, der in das Brandobjekt hineingeht, ohne jede Sicht arbeiten. Im Einsatzfall wäre die Wohnung komplett verraucht. In der Übung wird diese Situation simuliert, indem die Blickfenster der Atemschutzmasken komplett mit Blechen verschlossen werden.
Daten für die Politik
Die Übungen sind Teil der sogenannten Tibro-Studie, an der die Berufsfeuerwehr Frankfurt beteiligt ist. »Die Daten, die durch die Studie gewonnen werden, sollen unter anderem Grundlagen für künftige politische Entscheidungen liefern«, sagt Tobias Pflüger, Projektleiter bei der Frankfurter Berufsfeuerwehr. Dabei geht es um Hilfsfristen, Fahrzeug- und Personalausstattung im Brandschutz der einzelnen Kommunen, aber auch um Ausbildungsfragen. »Entscheiden muss letztlich die Politik, wir können dafür aber eine neue Basis schaffen.«
Mit von der Partie bei der aktuellen Übungsserie waren vom bayerischen Untermain die Feuerwehren aus Kahl (Kreis Aschaffenburg) und Erlenbach am Main (Kreis Miltenberg). »Es ist für eine Freiwillige Feuerwehr schon etwas Außergewöhnliches, im topmodernen Trainingszentrum einer Berufsfeuerwehr üben zukönnen«, berichten die Kommandanten Florian Ritter (Kahl) und Thomas Zimmermann (Erlenbach) übereinstimmend in Gesprächen mit unserem Medienhaus. Es sei immer gut und hilfreich, in Objekten zu üben, die man nicht schon aus dem Effeff kenne.
»Das war für alle Beteiligten eine gute Erfahrung, auch wenn unsere Übungsteilnehmer damit gerechnet hatten, noch mehr gefordert zu werden«, berichtet Zimmermann. Sein Kollege Florian Ritter ist überzeugt, dass »solche Übungen immer für alle Beteiligten einen Erkenntnisgewinn bringen«. Er sieht außerdem einen Motivationsschub für seine Truppe: »So ein Erlebnis hat man nicht jeden Tag, das ist auch ein Riesenspaß für die Beteiligten.«
Die Einsatzübungen im Feuerwehr-Trainingscenter, einer riesigen Übungsanlage mit mehreren nachgebauten Häusern und Wohnungen im Norden von Frankfurt, sind dabei nur ein Teil der Tibro-Studie. Weitere Erkenntnisse versprechen sich die Forscher von standardisierten Brandversuchen (siehe Extra-Beitrag) sowie von mehreren Experten-Tagungen. Wesentliche Resultate der Forschungsarbeiten sollen auf der weltweit führenden Fachmesse Interschutz im Juni 2015 in Hannover vorgestellt werden, kündigte der Frankfurter Projektleiter Pflüger an.
Er und die Forschungspartner sind sicher, damit neue und bessere Grundlagen für die Planung und politische Bewertung des Brandschutzes der Zukunft in Deutschland zu liefern.
Hintergrund: Tibro Sicherheitsforschung
Hinter dem Akronym Tibro verbirgt sich ein großes Forschungsprojekt zu grundsätzlichen Fragen des Brandschutzes in Deutschland. Tibro ist die Kurzform für »taktisch-strategisch Innovativer Brandschutz aufgrund risikobasierter Optimierung«, heißt es auf der Website des Projekts.
Und weiter steht dort: »Insgesamt vier Forschungspartner haben sich in einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Verbundprojekt das Ziel gesetzt, das Feuerwehrwesen in Deutschland zu analysieren, auf seine Zukunftsfähigkeit zu untersuchen und Empfehlungen zu geben. Im Fokus stehen dabei die Risikobetrachtung und die Entwicklung des Systems Feuerwehr in Deutschland.«
Die Projektpartner bei Tibro sind neben der Feuerwehr Frankfurt – die den Blick in die Praxis gewährleistet – die Universitäten in Magdeburg und Wuppertal sowie die Bundesanstalt für Materialforschung.
Eine für den betrachteten Untersuchungsgegenstand heute noch viel zitierte Arbeit sei die Studie »Feuerwehrsystem ORBIT« aus der Mitte der 1970er-Jahre. Diese Resultate seien aber nicht mehr zeitgemäß, »weshalb eine erneute Untersuchung des Themenkomplexes notwendig ist«.
Die Ergebnisse des Forschungsvorhabens Tibro seien vorrangig für die Endanwender, »das heißt unmittelbar die für Feuerwehren zuständigen Führungskräfte, Verwaltungsinstanzen und politisch Verantwortlichen«, gedacht.
Mehr Information: www.tibro-sicherheitsforschung.de
Quelle: http://www.main-netz.de/nachrichten/region/frankenrhein-main/franken/art4005,3491220
Bilder FF Erlenbach: